Keynesianismus

Zu den zentralen Aufgabenfeldern der Wirtschaftspolitik gehört die Bekämpfung volkswirtschaftlicher Gleichgewichtsstörungen (d.h. Instabilitäten), wie sie sich in Form von Arbeitslosigkeit, Inflation oder außenwirtschaftlichen Störungen mit den damit verbundenen Währungsproblemen äußern. Der stabilitätspolitische Auftrag ist heute in den Rechtsordnungen aller westlichen Industrieländer verankert.

Beobachtet man allerdings die wirtschaftliche Entwicklung in den westlichen Volkswirtschaften seit Ende des Zweiten Weltkrieges, so stellt man fest, dass es bisher den Regierungen und Notenbanken dieser Länder etliche Mühe machte, diesen Auftrag wirksam zu erfüllen. Dass in der vielgerühmten, längsten konjunkturellen Properitätsphase der Nachkriegszeit (1983 – 1989) in den westeuropäischen Ländern über elf Prozent aller Erwerbsfähigen und – willigen arbeitslos blieben, spricht nicht gerade für die optimale Erfüllung der oben genannten Stabilitätsziele.

Die Politiker neigen dazu, die Schuld am bisherigen Versagen der Stabilitätspolitik den Nationalökonomen in die Schuhe zu schieben. Sie werfen ihnen vor, sie wären bisher nicht fähig und willens gewesen, eine klare, eindeutige und kritisch abgesicherte Ursachenanalyse der wirtschaftlichen Unstabilitäten vorzulegen und damit der Stabilitätspolitik den Weg zu deren Bekämpfung zu weisen.

Tatsächlich stellen wir in der Theorie eine Vielzahl divergierender Auffassungen über die Art und Weise fest, wie der Staat Stabilitätspolitik betreiben sollte. Der Meinungsstreit zwischen Klassikern, Neoklassikern, Keynesesianern, Monetaristen und neuerdings Angebotstheoretikern füllt ganze Bücherregale, und die Hoffnung auf eine Einigung in der Sache ist völlig utopisch. So kann man nur alle Theorien einzeln betrachten und miteinander vergleichen.

M. Keynes und seine Konzeption

Neben den oben genannten Konzepten nimmt J. M. Keynes’ Politik eine der führenden Rolle in der Bekämpfung von Instabilitäten ein. Die auf der klassischen Theorie des wirtschaftlichen Liberalismus aufbauende Konzeption wurde in Lichte der schweren Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre mit ihren Millionenheeren sozial ungesicherter Arbeitsloser und den unbeschreiblichen Elend breiter Bevölkerungsschichten von J. M. Keynes aufs heftigste bekämpft. Seiner Ansicht nach sei eine Marktwirtschaft immanent unstabil. Störungen können nicht von System selber aufgefangen werden.

Der Preismechanismus versage unter ganz bestimmten Umständen als Regulator der Marktkräfte: so sei zum Beispiel das Lohnniveau unelastisch nach unten, was das Spielen der marktwirtschaftlichen Ausgleichsmechanismen auf dem Arbeitsmarkt verhinderte. Das entscheidende Problem, das sich in diesem Zusammenhang ergebe und dem Keynes auch seine ganze Aufmerksamkeit widmete, war die Massenarbeitslosigkeit. Der Erklärungsansatz Keynes ist überaus einfach, ebenso wie seine Therapievorschläge.

Keynes Theorien im Überblick:

Arbeitslosigkeit entsteht nach Keynes durch eine Unterauslastung des Produktionsapparates; diese wiederum durch ein Nachfragedefizit, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage genügt nicht, um alle verfügbaren Produktionsfaktoren voll zu beschäftigen. Das Nachfragedefizit schreibt Keynes einer unzureichenden Investitionstätigkeit der privaten Unternehmer zu. Maßgebend hierfür sind nach Keynes die schlechten Ertragserwartungen, die sich auch durch eine Politik des billigen Geldes nicht positiv beeinflussen lassen. Daher seine Bemerkung: In Depressionszeiten können die Zinsen auf null sinken, die Unternehmer werden dennoch nicht investieren.

Der Staat muss intervenieren, um die Nachfragelücke zu decken, bis er – gerade durch seine Interventionen – die Ertragserwartungen der privaten Unternehmer so positiv beeinflussen konnte, dass diese wieder vermehrt investieren. Die Theorie gilt als antizyklische Theorie, da der Staat dann eingreift bzw. investiert, wenn sonst niemand mehr investiert und seine Investitionen zurückschraubt, wenn die Unternehmen investieren.

Nach Keynes soll das Schwergewicht der Stabilitätspolitik auf die Finanzpolitik gelegt werden, nämlich:

  • in der Erhöhung der Staatsausgaben in Krisenzeiten, was die Nachfrage stimulieren soll
  • in der Senkung der Steuern in Krisenzeiten, wodurch der Konsum gefördert und die Ertragserwartung der Unternehmer verbessert werden
  • in der Finanzierung des entstehenden Defizites durch Anleihen, was zur Reaktivierung brachliegender Spargelder führt und der Volkswirtschaft zusätzliche Impulse verleihen sollte.

So sehr Keynes die Notwendigkeit finanzpolitischer Interventionen hervorhebt, so wenig hielt er von der Geldpolitik vor allem als weiterem Instrument zur Bekämpfung von Depression und Arbeitspolitik. Die Notenbank könne in Depressionszeiten die Volkswirtschaft noch so reichlich mit billigem Geld versorgen: dieses würde aufgrund der schlechten Erwartungslage gar nicht nachgefragt und daher brach liegen.

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